28. Ingelheimer Tagung des BDK vom 19. – 21. Mai 2008
1968 - 2008:
40 JAHRE WIRKUNGSGESCHICHTE POLITISCHER
IDEEN IN KUNST, KUNSTREZEPTION / KUNSTGESCHICHTE

Die 68er und die Kunst

Eine Zusammenfassung der Beiträge der Fortbildungsveranstaltung
von Dr. Ulrich Kuballa

Welche Auswirkungen hatten die 68er Studentenbewegungen auf die gesellschaftliche und kulturelle Entwicklung in Deutschland? Vierzig Jahre nach den Unruhen war diese Frage das Leitthema der diesjährigen Weiterbildungsveranstaltung des BDK – Fachverband für Kunstpädagogik (19. bis 21. Mai 2008, Fridtjof-Nansen-Akademie, Ingelheim). Sie stand unter der Überschrift „1968 – 2008: 40 Jahre Wirkungsgeschichte politischer Ideen in Kunst, Kunstrezeption/Kunstgeschichte“. Die von Prof. Peter Schubert moderierte Tagung lieferte - so ließ das Thema erwarten - kontroverse Beiträge, die zu engagierten Diskussionen einluden.

Der Eröffnungsnachmittag begann mit dem Vortrag von Prof. Dr. Ulrich Heinen (Bergische Universität Wuppertal) zum Thema: „ Herrschaftssprache - Generationenkonflikt – Dissimilatio. Zur Kritik kritischer Kunstgeschichte“. Der Vortrag befasste sich mit der Problematik politisch fundierter Kunstgeschichte. Heinen stellte dar, wie die Ideen der 68er-Bewegung, z.B. über den Ulmer Verein oder die Ideen der visuellen Kommunikation, ihren Niederschlag in der Kunstwissenschaft und Kunstvermittlung gefunden haben.

Prof. Dr. Bazon Brock (ebenfalls Bergische Universität Wuppertal) gab mit seinem Vortrag: „Werk ohne Wirkung, Wirkung ohne Werk: Über die Differenz von Schöpfung und Arbeit, Theologie und Soziologie, Kreativitätstraining und Disziplinierung im Anspruch der 68er Produktion“ einen interessanten Einblick in das Spannungsfeld von Politik und Kunstautonomie und schilderte die Ereignisse der sechziger Jahre aus der Künstlersicht eines u.a. an der documenta IV Beteiligten. Seine These, dass die 68er-Bewegung alle ihre politischen Ziele letztlich erreicht hätte, erschien nach seinen Darstellungen zumindest noch diskussionswürdig. Als Zeitzeuge führte Brock auch eine sehr emotionale Diskussion mit Dr. Wolfgang Kraushaar (Hamburger Institut für Sozialforschung), der sich gleichsam als Chronist der 68er Bewegung versteht. Mit seinem Vortrag: „Phantasie an die Macht“ lieferte er – als Kontrast zu Brock - eine kritische, an Fakten orientierte, eher ernüchternde Bestandsaufnahme zu den Ergebnissen dieser Konfrontation von Kunst und Politik seit 1968.

Auch Prof. Dr. Wolfgang Pehnt (Ruhr-Universität Bochum) räumte in seinem Vortrag „’Der Mensch braucht eine andere Stadt’ - Städtebau und Architektur der 68er“ ein, dass die 68er Proteste zwar den Anstoß zu gesellschaftlichen Veränderungen gab; die kreativen Impulse zur Änderung indes kamen nicht von den Protestlern. Wie in der Kunst habe die Kritik an den herrschenden Verhältnissen und bürgerlichen Werten im Vordergrund gestanden, allen voran Fragen der Verteilung von Grund und Boden, soziale Gesichtspunkte und Ressourcenschonung beim Wohnungsbau oder auch ein erweiterter Denkmalbegriff. Ernst zu nehmende Lösungen zu diesen Problemen aber entwickelten andere.

Neben der Betrachtung der bis dahin überwiegend politischen Aspekte stand auch der Paradigmenwechsel in der Kunst der 68er im Schwerpunkt der Betrachtung. Prof. Dr. Detlef Hoffmann (Carl von Ossietzky Universität Oldenburg) gab in seinem Vortrag „1968 – gefühltes Ende der Abstraktion: die Pop-Art“ einen umfassenden Überblick über die Pop-Art-Tendenzen in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre und stellte Bezüge zu den Ideen der 68er her.

Mit dem Beitrag „Vom ‚Café Deutschland’ zum Herrscherbild“ erweiterte Prof. Dr. Ulrich Krempel (Sprengel-Museum Hannover) das Bild der Kunst in Deutschland seit 1968 durch eine kleine Werkschau des Künstlers Jörg Immendorf. Privatdozent Dr. Nils Büttner (Universität Dortmund) entwickelte in seinem Beitrag „Politische Protestkultur und die Verachtung des Bildes – oder: Warum man seit ‘68 Beuys nicht mehr versteht“ die These, dass seit der 68er Revolte das für das Kunstverständnis lange als Voraussetzung geltende bürgerliche Bildungswissen heute kaum noch vormittelt würde. Die Bildverachtung – namentlich von Josef Beuys und anderen Künstlern dieser Zeit propagiert – sah er mit Ausschlag gebend dafür, dass heute ein Problem in der Vermittlung von Bildinhalten und beim Verständnis von Kunst zu verzeichnen sei.

Dr. Birgit Jooss (Germanisches Nationalmuseum Nürnberg) schließlich befasste sich mit den Studentenrevolten an den Kunstakademien als „Aktivitäten zwischen künstlerischem Happening und politischer Demonstration.“ Die realen Geschehnisse und Ausschreitungen stellte sie am Beispiel der Münchener Kunstakademie sehr anschaulich dar. Sie illustrierte ihre Ausführungen durch einen kurzen Dokumentarfilm, so dass auch die Tagungsteilnehmer, die jene Zeiten nicht bewusst miterleben konnten, ein plastisches Bild von den damaligen Ereignissen entwickeln konnten.

Der multiperspektivische Zugang zum Thema, die hohe Qualität der Beiträge sowie die gemütliche Form der Tagungsgestaltung machte diese Veranstaltung einmal mehr zu einem Weiterbildungserlebnis für alle Teilnehmer und weckt die Neugier auf die nächste Tagung im kommenden Jahr.

>>>weitere Fotos (von Eberhard Grillparzer) der 28. Tagung des BDK-LV Rheinland-Pfalz
in der Fridtjof-Nansen-Akademie für politische Bildung, Ingelheim

>>> Veranstaltungs-Programm als pdf

 

 

 

 

>>>weitere Fotos

 

 

 

 

 

 

 

>>zur Startseite des BDK

Last update 03.07.2008 19:37