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Gespräch & Diskussion

Kunstpreis und Förderseminar für Jugendliche
- Kritische Überprüfung eines Modells

Ein Gespräch zwischen Prof. Diethard Herles (Jurymitglied 2009-2011) und
Eberhard Grillparzer über den Alexandra-Lang-Jugendkunstpreis Rheinland-Pfalz.


D.H.: Ein Signal mit Öffentlichkeitswirkung sollte der Kunstpreis sein - für die Einsicht, dass bildkreative junge Menschen genauso gefördert werden müssen wie Musiker. Du hast 2007 mit dem Jugendkunstpreis einen Stein ins Wasser geworfen, dessen Wellen seither weite Kreise ziehen. Bist du mit den Auswirkungen zufrieden?

E.G.: Was nützt ein Signal, das nicht recht beachtet wird? Welche ‚Nebenwirkungen‘ löst es aus? Ist der Wettbewerb ein Erfolgsmodell für eine ‚Talentüberprüfung‘? Steuern wir noch in die beabsichtigte Richtung? Wollen sich Kreative überhaupt einer Konkurrenzsituation stellen?

D.H.: Wettbewerbe bewegen immer was. Meisterschaften haben ihre Helden, können einen Sog auslösen, Leidenschaften provozieren, die Identifikation mit Vorbildern wecken.

E.G.: Vergleichbares hat die Kunst kaum zu bieten. Der Kunstmarkt ist kein Massenmarkt mit Strahlkraft für junge Menschen und gibt auch wenig Anreize zur Talentsteigerung.
Wenn wir mit unserem mehrtägigen Kunstseminar den Jugendlichen eine Orientierung zur Kultivierung ihres kreativen Talents geben wollen, dann liegt der Sinn auch darin, dass sie sich mit anderen vergleichen können; denn bisher waren sie oft `einsame Spitze‘ in ihrer Klassenstufe. Das Zusammentreffen mit anderen Kreativen bei dem Hennweilerseminar empfinden alle als höchst inspirierend. Gerade weil es dabei keine Rangfolge gibt.

D.H.: Sich etwas von Gleichaltrigen abschauen und sich selbst als Organisator seiner Lernprozesse erleben ist immer gut. Selbst etwas rauszufinden macht Freude und motiviert.

E.G.: Bei der Vorstellungsrunde am ersten Tag erzählen alle, woher und wie sie zur Kunst kommen, was sie gern machen und zeigen die Arbeiten ihrer Mappe. Schnell erkennen die Anderen, dass es in der Kunst bei so vielen möglichen Disziplinen niemanden gibt, der alles am besten kann, sondern dass gerade diejenigen mit noch ungelenkem Strich andere ungewöhnliche Wege gehen, die zu kreativen Ergebnissen führen. 

D.H.: Bei der Auswahl der Teilnehmer habt ihr euch für das Wettbewerbsprinzip entschieden.

E.G.: Das Ganze im Format eines Wettbewerbs aufzuziehen, muss hinterfragt werden; denn wir können zwar elf gleichrangige Preisträger beglücken, aber mindestens hundert Jugendlichen müssen wir mitteilen, dass sie nicht dabei sind. Und diese Absage wird oft als persönliche Kränkung empfunden.

D.H.: Als positive Wirkung des Wettbewerbs zeigt sich, dass die Bewerbungsmappen immer anspruchsvoller werden. Leistungsprinzip ist ja bei Begabtenförderung nicht abzulehnen.

E.G.: Das gezielte Hinarbeiten auf die Bewerbungsmappe ist von uns nicht intendiert; aber doch sind die Preisträgermappen eher solche, die thematisch strukturiert sind, technische Vielfalt zeigen und handwerkliche Mindeststandards erfüllen.

D.H.: Das ist das Prinzip des Wettbewerbs. Alle strengen sich an. So fällt die Wahl der „Besten“ von Jahr zu Jahr schwerer - der Abstand zu den Schwächeren wird geringer. Wenn wir von 110 eingereichten qualitätsvollen Mappen die 11 ‚besten‘ auswählen, dann ist dies selbst bei der ‚gerechtesten‘ Jury immer eine Entscheidung, die auch völlig anders aussehen könnte.

E.G.: Was wäre, wenn wir ohne Fachjury einfach jeder/jedem Zehnten die Einladung zum Kunstseminar zusendeten? Sollte einfach das Los entscheiden? – Vielleicht wäre so für viele die Enttäuschung, nicht bei den Preisträgern zu sein, leichter zu verschmerzen.

D.H.: Käme auf den Versuch an. Aber ernsthaft wollen wir dieses dadaistische Prinzip nicht propagieren. Wäre auch unfair gegenüber den Jugendlichen, die ja bestimmt engagiert an ihrer Mappe arbeiten.

E.G.: … und damit versuchen, einem vermuteten Erwartungsprofil der Jury zu entsprechen. Immer stellen auch Eltern und Kollegen die Frage: ‚Was will die Jury sehen?‘

D.H.: Jede Jury hat eine eigene Dynamik und bildet neue Schwerpunkte für die Beurteilung. Wir Juroren sind immer neugierig zu sehen, was die Jugendlichen fasziniert, beschäftigt, was ihnen darstellenswert erscheint, was sie thematisch umkreisen. Sowohl WAS (sachinhaltlich) als auch WIE (stilistisch). Die Jury hat das Vergnügen, die Vielfalt der eingereichten Arbeiten und die Schwerpunkte der aktuell-brisanten Themen zu sehen und darf den Fokus auf die Auswahl legen – und eine wertende Meinung als individuelle Rückmeldung an den Bewerber mitgeben.

E.G.: Handwerkliches Können, kreative, eigenständige Ansätze, die Vielfalt der Techniken und Herangehensweisen sowie der Gesamteindruck sind einige Kriterien. Aus einem Bündel weiterer sinnvoller Anforderungen zeigt sich, wie sich manche widersprechen, sich gegenseitig aufheben. So sehe ich persönlich in einer differenzierten Punkte-Liste keinen Vorteil.

D.H.: Wir wissen von der Aufnahme an der Uni, dass die Mappe nur wenige Aspekte einer Qualifikation zeigt. Was machst du, wenn sich beim Seminar herausstellt, dass unsere Jury einen ungeeigneten Bewerber ausgewählt hat?

E.G.: Eine mit dem Wettbewerb verknüpfte Hauptforderung an die Verantwortlichen in der Gesellschaft ist, dass es für die Altersgruppe der 13- bis 18-Jährigen viel mehr Angebote im kreativen Bereich geben sollte, unabhängig von einem ‚Talent-Check‘.

D.H.: Richtig, alle Jugendlichen sollten in ihrer Region viele attraktive Angebote künstlerischen Handelns vorfinden. Inzwischen haben sich die Jugendkunstschulen professionalisiert und mit der aktuellen Initiative „Jedem Kind seine Kunst“ möchte die Landesregierung weitere Angebote kultureller Bildung möglichst flächendeckend hinzufügen. 90 Prozent der Jugendlichen, die eine Mappe einreichen, hätten sicher eine qualifizierte Förderung wie das Kunstseminar verdient.

E.G.: Auch ‚unverdient‘ wäre es kein Fehler, ein solch intensives Kreativitätstraining mitzumachen. - Da das Dozententeam nicht identisch mit der Jury ist, müssen wir uns beim Hennweiler-Seminar darüber keine Gedanken machen. Die  Dozenten konzentrieren sich darauf, wie und mit welchen Seminarangeboten die elf Preisträger gefordert und gefördert werden können.

D.H.: Wenn das Niveau handwerklich-zeichnerischen Könnens schon recht hoch ist, was wollt ihr dann den Preisträgern noch beibringen?

E.G.: Das ist tatsächlich die grundlegende Diskussion bei der Konzeption des Workshops. Da gibt‘s vier Ansätze:

  1. Unterstützung im individuellen Leistungsbereich; Stärkung bereits vorhandener Fertigkeiten.

  2. Aktivieren von vernachlässigten Gestaltungsbereichen; Einstiegshilfen in andere Positionen.

  3. Absichtliches Verhindern des Einsatzes von Gekonntem, bewusster Verzicht auf die sicher abrufbaren Repertoires. Aktives Provozieren von ‚Kontrollverlust‘ bei der handwerklichen Umsetzung.

  4. Gegenseitiges Anleiten: Die Jugendlichen helfen sich beim Vermitteln von Techniken, Tipps, Tricks und Zeichenstrukturen. Sie präsentieren Tutorials zu speziellen Aspekten.

D.H.: Kann es sein, dass ihr das figurativ-gegenstandsorientierte Zeichnen zu stark fördert – weil das Vermitteln von ablesbaren Zeichen leichter fällt? Der Faszination, nach Bildvorlagen oder gar fotoähnlich zu zeichnen, erliegen viele, weil diese Fertigkeit -  wegen der Lesbarkeit des Dargestellten - vom Publikum am meisten gelobt wird.

E.G.: Ja, aber auch die sich gegenseitig verstärkenden Kräfte unterstützen eher die ‚abbildverliebten‘ Darstellungsweisen. Schwerer haben es Experimentell-Innovatives, Sonderbares, Befremdliches, Schwieriges, Allzu persönlich-Peinliches und Zartes. Wie oft dominiert auch hier Lautes, Deutliches, Stabiles, Erkennbares, Bekanntes; wer ausgetretene Wege geht, hat es leichter.

D.H.: Ein weites Feld. Kommen wir zurück zur Wettbewerbsorganisation. Den glücklicherweise durch die Alisa-Stiftung finanzierten ‚Jugendkunstpreis Rheinland-Pfalz‘ wird es wohl so lange geben, wie du ihn organisierst. Um den organisatorischen Aufwand zu reduzieren, spielst du mit der Überlegung, den Preis nur alle zwei Jahre auszuschreiben?

E.G.:  Stimmt! - Es gibt viel zu tun und es fällt nicht leicht, die organisatorische Arbeit aufzuteilen. Vieles ist gut eingefädelt, kann jährlich abgerufen werden und läuft dadurch rund. Qualifizierte Persönlichkeiten zur Fachjury einzuladen und Dozenten für das Kunstseminar in Hennweiler zu gewinnen, sind schöne Aufgaben. Aber es gibt auch vieles, was eher lästig ist; denn ganz glatt läuft‘s nie: Mappen ohne Formblattduplikat, unvollständige Angaben, fehlende Versandetiketten;  Rückläufer, weil Adressen unleserlich oder falsch sind; diese Mappen muss ich zweimal versenden. Dieses Jahr brachte ein durch Raumnot bedingter überraschender Umzug eine Unordnung ins Mappen-System. Bei der Organisation gibt mir glücklicherweise die BDK-Vorstandskollegin Ellen Löchner zuverlässige Unterstützung. Ellen hat den JukuP inspiriert und in seiner Ausrichtung mitgeprägt. Sie sorgt während der Jury fürs Stenografieren der „individuellen Jurybemerkungen“. Übrigens, diese individuelle Rückmeldung in Form eines knappen Kommentars zu jeder Mappe, ist ein enormer organisatorischer Aufwand, der in keinem vergleichbaren anderen Wettbewerb betrieben wird. Ellen trägt auch in Hennweiler wesentlich zum guten Gelingen des gesamten Workshops bei.

D.H.: Welche Rückmeldungen bekommt ihr denn von den Kollegen? - Deren Statement wäre doch sehr wichtig und hilfreich für weitere Entscheidungen.

E.G.: Einige KollegInnen hatte ich persönlich mit der Bitte angeschrieben, kurz die Frage zu antworten: „Halten Sie das Jury-Feedback für überflüssig / unverständlich / belanglos / entmutigend / sinnvoll? – Haben Sie andere Anregungen, Vorschläge zum Wettbewerb oder möchten Sie mal bei der Jury teilnehmen?“ Darauf hat niemand geantwortet. Aber manchmal erfahren wir, dass unser Antwortschreiben an die abgelehnten Bewerber auch positiv wahrgenommen wird. Ich wünsche mir von den Kolleginnen und Kollegen schon eine engagiertere Beteiligung und die Bereitschaft, Aufgaben zuverlässig zu übernehmen.

D.H.: Vielleicht gar als ‚regionale Repräsentanzen‘? Es ist ja unser aller BDK-Jugendkunstpreis.

E.G.: Am stärksten aber belastet mich, dass wir mit dem Kunstpreis quantitativ zehnmal mehr Anlass für Enttäuschung geben, als dass wir Preisträger motivierend bestätigen. Wer stellt sich schon gern dem Wettbewerb? – Wer sich nicht stellt, erspart sich die Enttäuschung. Ein anderes Format ohne Vorauswahl wäre auch denkbar.

D.H.: Was schwebt dir als Vision vor?

E.G.: Beispielsweise ein für alle offenes Treffen als Kunst-Camp an wechselnden Standorten. Neben einem Rahmenprogramm mit attraktiven Workshops könnten sich beim ‚Markt der Möglichkeiten‘ sowohl Ausstellungen, als auch Projekte an Tischen und Kojen präsentieren, Jugendkunstschulen vorstellen; eine Kontaktbörse für das Zusammenfinden von Leuten und Orten zu spontanen Tutorials, gemeinsamen Kunstaktivitäten.

D.H.: Wenn Kreative zusammentreffen, kann Vieles stattfinden.

E.G.: Arbeitsmaterial bringen die Jugendlichen mit, Strom, Wasser, Abdeckfolie würden bereitgestellt. Viele junge Kreative könnten sich beteiligen – wir bräuchten niemandem negative Gefühle des Versagens vermitteln.

D.H.: Klingt alles spannend, wir sollten die Anregung weitergeben. Muss ja nicht gleich den Kunstpreis ersetzen.
Was ist dein Ziel für die nahe Zukunft des Wettbewerbs?

E.G.: Ich möchte möglichst viele Kunstinstitute beteiligen, Uni, Akademie und Museen. Eine Kunstmappe zusammenstellen ist die eine Sache. Die Mappe dann versandgerecht als Paket zur Post bringen, stellt für viele eine weitere Schwelle dar. Auch Eltern und einige Lehrer/innen stellen Rückfragen, woraus man erkennt, dass es schon eine logistische Leistung ist, mit Packpapier, Tesaband und Paketschein zu hantieren.

D.H.: Fragt sich, ob wir dies unterstützen sollten oder ob bewusst die ordentliche Versandverpackung als Bedingung bleibt; denn für die Jugendlichen sollte das Mappen-Zusammenstellen und der Versand eine wichtige Übung sein.

E.G.: Die Ludwigshafener hatten es bisher leichter, da sie (oder ihre Lehrer) ihre Kunstmappen einfach im Hackmuseum abgeben konnten. Diese einfache Abgabemöglichkeit wollen wir 2014 für mehrere Standorte schaffen: beispielsweise Bad Neuenahr-Ahrweiler, Kaiserslautern, Koblenz, Landau, Ludwigshafen, Mainz, Pirmasens, Simmern, Wittlich, Worms, Trier und Zweibrücken. Es ist ja eine Win-win-Situation, wenn die Mappen im Museum abgegeben werden können.

D.H.: Worüber regst du dich am meisten auf?

E.G.: Ich dachte ursprünglich, ein Kunstpreis als Wettbewerb mit Siegern könne in der Öffentlichkeit und Presse ein stärkeres Echo auslösen, als ein anderes Format. Enttäuschend ist deshalb die schwache Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Die Presse stellt dieses wichtige landesweite Projekt leider nicht überregional vor. Es werden nur einzelne Preisträger/innen regional gewürdigt. Wichtig wäre im Voraus eine Ausschreibung in der Presse oder wenigstens ein Hinweis in allen Tageszeitungen. Daran müssen wir noch arbeiten. Hier bin ich für jeden Tipp und Hilfe dankbar.

D.H.: Mit dem von Frau Ilse Lang gestifteten Wettbewerb, unter Schirmherrschaft von Frau Ministerin Ahnen, liefert der BDK seit Jahren einen unübersehbaren Nachweis seiner Zuständigkeit, seiner Verantwortung, seiner Kompetenz.
Ein prägnantes Aushängeschild für den Fachverband für Kunstpädagogik.
Schade, wenn das  Signal ohne Wirkung bliebe!

Das Gespräch am 4.August 2013 in Godramstein wurde von Eberhard Grillparzer aufgezeichnet.

 


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"Ich möchte mich nochmal für die schöne Zeit in Hennweiler bedanken.
Ich habe viele nette Menschen kennengelernt und habe sehr viele Erfahrungen gesammelt, die ich in meinem Leben nie vergessen werde!"
schreibt uns eine Preisträgerin


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